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VDG-Nachrichten 01/2021

 

 

Schülerinnen und Schüler melden sich zu Wort

Erfahrungen im Distanzunterricht.

 
 
Britta Schreiber aus der Jugendvertretung des VDGs ging mit dem Telefon und Mail zu Schülerinnen, Schülern und Lehrern unserer Berufsschulen, mit der Bitte ihre Wahrnehmungen, Empfindungen und Bemühungen über ihre Ausbildung und deren Möglichkeiten in Worte zu fassen. Das Ziel war es, wie auch in der Berufsschule Lauscha deutlich zu machen, wie gerne Auszubildende ihren Beruf erlernen möchten und wie sehr man sich bemüht nach Lösungen zu suchen.

Katharina Hauff , 22 Jahre, Auszubildende Glasapparatebau, 3. Lehrjahr

Es ist 8:16 Uhr mein Wecker klingelt. „Früher... vor langer, langer Zeit“, musste ich knapp eine Stunde eher aufstehen, damit ich es rechtzeitig an die Glasfachschule schaffte. Ach, wie sehr vermisse ich meinen Schulweg und die Morgensonne in meinem Gesicht. Wie sehr vermisse ich den Duft der Schule, die netten Lehrer und die Klingel die uns in die Pause führt. Wie sehr vermisse ich meinen Arbeitsplatz, die warme Flamme und das Glas. Zum einen muss ich sagen, bin ich sehr froh, dass mittlerweile die Zusammenarbeit in Teams und auch die Technik im Allgemeinen so gut funktioniert. Anders als letztes Jahr haben wir jetzt täglich Unterricht und bekommen regelmäßig Aufgaben. In einigen Fächern finde ich es allerdings sehr schwierig, vor allem in Mathe fällt es mir sehr schwer mitzukommen. Teilweise bin ich sehr abgelenkt und kann mich nicht konzentrieren. Andererseits finde ich es auch schwierig als Lehrer einen Unterricht über Kamera zu führen. Was mich sehr freut ist das Zeichenprogramm. Dort werde ich viel selbstständiger und schneller. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass ich mir meine Zeit im Großen und Ganzen selber einteilen kann. Ich hoffe sehr, dass die Abschlussklassen bald wieder in die Schulen dürfen. Der Praxisteil ist für uns das Wichtigste und dieser fällt schon seit einiger Zeit komplett aus. Meinem Gemütszustand geht es eigentlich ganz gut. Abwarten und weitermachen.
 
 
 

Sofie Jonischkeit, Auszubildende Glasapparatebau, 3. Lehrjahr

Ich finde, dass der Distanzunterricht in den theoretischen Fächern sehr gut funktioniert. Das große Problem bei uns ist, dass wir keinen praktischen Unterricht bekommen können. Dieser wäre aber sehr wichtig. Das macht uns alle ziemlich nervös, vor allem da wir dieses Jahr Abschlussprüfungen haben. Inzwischen fehlt uns einfach unglaublich viel Übung, die wir auch nur zum Teil nachholen können. Ich bin allerdings sehr froh, dass wir im Theorieunterricht gut vorankommen und uns hier eher weniger Sorgen um die Prüfungen machen müssen. Nur wird es leider immer anstrengender motiviert zu bleiben, da der Online-Unterricht für mich deutlich anstrengender ist, als der Präsenzunterricht.

 

 

 

 
 
 

Nicole Tschauder, 24 Jahre, Auszubildende Glasapparatebau, 3. Lehrjahr Erfahrungen im Corona bedingten Distanzunterricht mit Kind

In Stichpunkten möchte ich es für mich so wiedergeben:
Kontra:

  • äußerst anstrengend

  • nicht selten fühle ich mich ausgelaugt

  • ich kann den Unterrichtsstoff oft nur schwer aufnehmen, da meine Konzentration nicht so hoch wie im Präsenzunterricht ist

  • Peinlichkeit aufgrund mehrmaligen Bittens um Wiederholung des Gesagten an die Lehrer, da entweder die Verbindung schlecht ist, oder ich durch mein Kind abgelenkt werde. Zurzeit sind ja auch die Kitas geschlossen.

  • In einigen Fächern empfinde ich die Aufgaben im Verhältnis zur kurzen Bearbeitungszeit als zu viel.

  • Nicht selten muss man auf Mitschüler warten, die verspätet an den Unterrichtssitzungen teilnehmen. Dadurch entsteht Zeitdruck bei der Abarbeitung des Unterrichtsstoffes. Vielleicht sollten die Unterrichtsstunden etwas länger dauern.

  • Ganz fürchterlich, die Praxisunterrichtstunden. Dadurch steigt Angst vor den bevorstehenden Praxisnoten, denn uns fehlt die Übung.
Pro:

  • Natürlich, man kann mal länger schlafen.

  • Der Zusammenhalt zwischen den Schülern wurde extrem verstärkt

  • und das Verantwortungsbewusstsein ist gewachsen.
Auch wenn die Kontraauflistung klar der Pro-Seite überwiegt, bin ich dennoch NICHT für eine zu schnelle Rückkehr zum Präsenzunterricht, solange die Lage nicht klar „sicher“ bzw. „risikoarm“ ist. Da ich die Meinung vertrete, lieber eine Note schlechter oder gar ein Jahr wiederholt als ein Todesfall mehr.
 
 
 
 

Michael Weinfurtner, 20 Jahre, Auszubildender Glasapparatebau, 2. Lehrjahr mit Lehrzeitverkürzung, somit im Abschlussjahr

Nachdem sich alle Beteiligten wohl oder übel an den Umstand des Distanzunterrichts gewöhnt haben läuft dieser einwandfrei. Persönlich gelingt es mir, dank dem heutigen Stand der Technik, den ganzen Unterricht digital und ohne Papier über die Bühne zu bringen. Im Gegensatz zum ersten Lockdown, der von viel freier und in der heimischen Werkstatt verbrachter Zeit geprägt war, ist der aktuelle mit viel theoretischer Arbeit gefüllt. Das hängt auch mit meiner Lehrzeitverkürzung zusammen. Durch den Wegfall des Schulweges, gelingt es gut, arbeitsreiche Phasen des Lernens zu schaffen. Leider und dies ist wohl der größte Verlust in dieser Zeit kann die Fachpraxis nicht vollzogen werden. Als angehender Apparatebauer ist diese fehlende Fachpraxis nur schwerlich zu verkraften. Auch wenn ich die besondere Möglichkeit habe in der heimischen Werkstatt arbeiten zu können, kommt das praktische Arbeiten durch die aktuelle Lernphase zu kurz. Hierzu komme ich nur noch am Wochenende. Da wird der Ausgleich zum Lernen und dem Unterricht geschaffen.
Michael Weinfurtner auf Instagram: instagram@vonlerchenholz
 
 
 

Schulleitung Glasfachschule Zwiesel Gunther Fruth

Distanzunterricht bewältigen heißt …
… technische Voraussetzungen schaffen
… das Kollegium schulen und gewinnen
… die Schülerinnen und Schüler fordern und führe.
An der Glasfachschule Zwiesel befinden sich die drei Schularten Berufsschule, Berufsfachschule und Fachschule unter einem Dach. Wenn es per Verfügung oder aufgrund von Quarantänemaßnahmen nötig ist, läuft unser Distanzunterricht über die Lernplattform Teams ab. Technisch sind dabei, bis auf kleine individuelle Fehlerquellen vor Ort, keine Schwierigkeiten aufgetreten. Das ganze System läuft sehr stabil.
Dramatisch ist die Situation in der Vollzeitausbildung unserer Berufsfachschule. Dort stellt der komplette Ausfall der Praxisunterrichtszeiten in den Werkstätten eine katastrophale Entwicklung dar, dies gilt besonders für unsere Abschlussschüler.
Allgemein lautet mein Fazit zum Thema Distanzunterricht, dass in einzelnen Fächern, besonders mit Theorieeinheiten, dieser durchaus ein nützliches Werkzeug sein kann. Praxisunterricht in den Glasbearbeitungswerkstätten ist aber dadurch nicht zu kompensieren und der fehlende direkte persönliche Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern lässt viele, oft dringliche soziale Wichtigkeiten und Fragen unbehandelt in Raum stehen.
Dies als kleine zusätzliche Anmerkung der Schulleitung zu den Stellungnahmen der Schülerinnen und Schüler unserer Schule.
Gunther Fruth, Schulleiter der Glasfachschule Zwiesel
 
 
 

Peter Trautsch, Berufsfachschullehrer aus Ilmenau erzählt im Folgenden die Organisation und Entwicklungsstadien der Unterrichtsgestaltung während der Pandemie

Die erste Schulschließung am 17.03.2020 war zwar zu erwarten, kam aber trotzdem überraschend.
Anfangs wurden Aufgaben, Unterrichtsstoff über die Dienstmails der Fachlehrer an die Ausbildungsverantwortlichen der Ausbildungsbetriebe gesendet. Die Verantwortlichen für die Ausbildung haben die Fachlehrer unterstützt und die Aufgaben an ihre Lehrlinge weitergegeben, räumten zur Bearbeitung entsprechende Zeit ein und unterstützten teilweise die Lehrlinge bei der Erledigung.
Nach Inbetriebnahme der Thüringer Schulcloud wurden und durften die Aufgaben zum Unterrichtsstoff nur noch über diese versendet werden. Nach anfänglichen Problemen funktionierte diese immer besser und wurde ausgebaut. Eine gezielte Zusendung der Aufgaben an Klassen, Gruppen oder einzelne Lehrlinge war möglich. Die gestellten Aufgaben wurden mit Terminen versehen und an die Fachlehrer zur Kontrolle über die Schulcloud zurückgesendet. Eine zeitnahe Kontrolle der zurückgesendeten Lösungen und Korrektur war wichtig und auch möglich. Hinzu kam Videounterricht. Der größte Teil der Auszubildenden bearbeiteten die Aufgaben gewissenhaft und fragten auch bei Fachlehrern im Fall von Unklarheiten nach.
Teilweise gab es „Wechselunterricht“ in 2 Gruppen, also in der 1. Turnuswoche die erste Gruppe, in der 2. Woche die zweite Gruppe. Die Sitzplätze im Klassenraum wurden zum Präsensunterricht weiter auseinandergestellt, Fenster und Türen zum Lüften genutzt, Unterrichtsstunden gekürzt bzw. unterbrochen. Zudem wurden Klassen in anderen, größeren Klassenräumen unterrichtet. Auch die Schulaula und der Speiseraum wurden für den Unterricht genutzt. Mund–Nasen-Masken müssen im Schulgebäude getragen werden, im Unterricht nicht. Die Festlegung eines Raucherplatzes wurde teilweise aufgehoben.
Zum praktischen Unterricht:
Die praktische Weiterbildung gestaltet sich ganz unterschiedlich. Einige Lehrlinge arbeiteten während des eigentlichen Schulturnus und neben den Schulaufgaben stundenweise im Betrieb. Andere konnten weder in der Schule noch im Ausbildungsbetrieb arbeiten (beide waren geschlossen).
Klassenfahrten, Unterrichtsgänge, Betriebsbesuche wurden nicht durchgeführt.
Zur Zwischen- und Abschlussprüfung
Die Kenntnis- und Fertigkeits-Zwischenprüfungen 2020 wurden von der  IHK und der HWK abgesagt, die Auszubildenden können dieses Jahr auch ohne ZP in die Abschlussprüfungen
 
 
 

Ewgeni Kubarko ist 24 Jahre Auszubildender im Glasapparatebau in der Gebr. Rettberg GmbH in Göttingen, im 3. Lehrjahr. Zur Schule geht er ins Staatliche Berufsschulzentrum Arnstadt-Ilmenau. Er erzählt über seine Wahrnehmungen in dieser schweren Zeit.

Der Beruf hat mich regelrecht fasziniert. Ich mache die Arbeit wirklich gerne und ich habe mich sehr bemüht mir so viel Fachwissen wie möglich anzueignen. Das hat soweit auch super geklappt - bis Corona kam. Im Betrieb ist alles beim Alten geblieben, nur haben wir eine Maskenpflicht und die Anweisung so gut es geht Abstand zu halten bekommen.
Aber was den Berufsschulunterricht angeht, hat sich vieles geändert und erschwert. Ich gehe in Ilmenau zum SBSZ und durch den weiten Weg lebe ich dort während der Blockschulzeit im Internat. Ende letzten Jahres sind mehrere Schulwochen (wegen Corona Vorschriften) ausgefallen und wir konnten diese Lerninhalte nachträglich nur mager ausarbeiten. Im 3. Lehrjahr ist das Niveau des Unterrichts schon gehobener, weshalb ich es sehr schade finde nur eingeschränkt lernen zu können. Alternativ haben wir seit neuestem homeschooling/Distanzunterricht: Wir können uns Lerninhalte der jeweiligen Fächer aus einer Cloud, seitens der Schule, herunterladen und ausarbeiten. An sich eine tolle Alternative, aber ich muss ehrlich zugeben, dass ich zu wenig Selbstdisziplin besitze, um auf diese Weise zu lernen. Ich verpasste dadurch eine Menge im 3. Lehrjahr und das Verinnerlichen des Lernstoffes viel mir schwer. Doch die Prüfung naht und Aufgeben ist keine Option.
Eine weitere Unannehmlichkeit ist der Fakt, dass ich binnen eines 1/4 Jahres schon zweimal je 2 Wochen in Quarantäne musste, aufgrund irgendwelcher Vorkommnisse innerhalb der Schule.



 
 
 

VDG-Nachrichten


Herausgeber
Verband Deutscher Glasbläser e.V., Karlstr. 7, D-48268 Greven

Erscheinungsweise
vierteljährlich im März, Juni, September und Dezember (Sonderausgabe nach Bedarf)

Format
210 x 297 mm (DIN A 4)

Bezugspreis
Der Mitgliedsbeitrag beinhaltet den Bezug der VDG-Nachrichten; Bezugspreis für Nichtmitglieder: 13,50 €.

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