VDG-Nachrichten 03/2024
Borosilikat-Glasbecken aus Japan
In allen Größen und Formen
Ein Bericht von Tsuyoshi Nakamura Inhaber der Firma NAKAMURA RIKA Inc. in Tokyo, sowie Vorsitzender und Geschäftsführer der Tokio Scientific Glassblowers Union (NRGK)
Tsuyoshi Nakamura, Glasapparatebauer in der dritten Generation,
begann mit seiner fachlichen Ausbildung im Jahr 1981 bei SINWA GLASS WORKS. Bedauerlicherweise gibt es diese Firma heute nicht mehr. Schon sein Großvater arbeitete als Glasapparatebauer in einem quarzglasverarbeitenden Betrieb und auch sein Vater war Glasapparatebauer im Angestelltenverhältnis. 1983 wechselte Tsuyoshi Nakamura als Facharbeiter zur Firma NAKAMURA WORKS Co-Ltd. Auch diese Firma besteht heute leider nicht mehr. Im Februar 1986 eröffnete er mit seinem Vater gemeinsam die Firma NAKAMURA RIKA Inc. in Tokio.
Seit 2006 ist Tsuyoshi Nakamura Direktor der Tokio Scientific Glassblowers Union (NRGK). 2012 wurde er deren Geschäftsführer und präsentierte im gleichen Jahr eine technische Demonstration auf dem ASGS-Jahressymposium. Er erhielt die Auszeichnung für den bedeutendsten Beitrag eines internationalen Delegierten beim ISGE 2012 in Corning, NY.
Doch nicht nur in den USA ist er präsent, auch auf den Tagungen des VDG und des BSSG ist er ein gern gesehener Gast. Seine Arbeiten sind einzigartig. Die Redaktion des VDG bat Tsuyoshi deshalb, sich und seine Arbeit auf den folgenden Seiten vorzustellen.
Der Beginn der Selbständigkeit bis zur Spezialisierung
Alles begann mit Aufträgen zu Reparaturen und Neuanfertigungen von Glasapparaturen aus den Bereichen der Chemie und Physik. Einige Jahre später spezialisierten wir uns, aufgrund großer Nachfrage, auf die Verarbeitung von Borosilikatglas-Platten. Ein Bereich, der bis heute in Japan kaum zu finden ist.
Als unsere Firma gegründet wurde, steckten die dazu nötigen Kenntnisse noch ganz in den Anfängen, aber nach und nach erweiterte sich die Palette der Verarbeitungstechniken. So wurde es möglich, besonders große Glasbehälter, auch mit Ein- und Anschmelzungen herzustellen.
Wir haben uns auf Borosilikat-Flachglas-Verarbeitung spezialisiert und lassen Rohrsysteme, oder Halbzeuge, wie Schliffe und Hähne, von anderen Firmen fertigen. Diese verschmelzen wir dann mit unseren Wannen, was jedoch nicht oft vorkommt. In ganz seltenen Fällen müssen Rohrsysteme in ein Becken eingeschmolzen werden, dafür steht uns eine Drehbank zur Verfügung. Reparaturarbeiten an Becken sind leider nahezu unmöglich.
Zum Zeitpunkt unserer Gründung hatten wir drei Mitarbeiter. Derzeit sind wir, mich eingeschlossen, vier. Da es nur wenige Unternehmen gibt, die Borosilikat-Glasplatten in verschiedensten Formen und Größen miteinander verschmelzen können, sind unsere Kunden in ganz Japan verteilt. Dies ist der Grund, warum wir im Augenblick nicht dran denken ins Ausland zu expandieren. Zudem fehlt es uns an Arbeitskräften.
Der Verwendungszweck der Duran-Glasbecken
Unsere Produkte wurden ursprünglich in Halbleiterreinigungstanks verwendet, aber jetzt scheinen sie hauptsächlich als Versuchsgeräte für den Umweltschutz Verwendung zu finden.
Kurze Beschreibung zur Fertigung eines BorosilikatGlasbeckens
Der Herstellungsprozess beginnt mit dem Zuschneiden der Glasscheiben auf die richtige Größe und dem anschließenden Verschmelzen, eine Scheibe nach der anderen mit einem Handbrenner. Borosilikat-Glasplatten reagieren während und nach der Verarbeitung sehr empfindlich auf Spannungen und brechen schnell, wenn zwei Platten nach dem Verschmelzen nicht sofort wieder in den Temperofen zurückgebracht werden.
Das Becken entwickelt sich Stück für Stück. Es muss heiß aus dem Temperofen geholt werden, heiß weiterverarbeitet und auch heiß wieder in den auf Temperatur gehaltenen Temperofen zurückgelegt werden.
Eine sehr unangenehme Tätigkeit! Könnte dieser Prozess mechanisch ablaufen, würde das die Schwierigkeiten bei der Verarbeitung deutlich senken. Aber es ist alles reine Handarbeit, auch bei großen und schweren Gegenständen, die besonders sorgfältig zum Temperofen transportiert werden müssen. Normalerweise fertige ich ein Becken im Alleingang. Nur bei sehr großen Werkstücken benötige ich einen Assistenten, der mit einem Handbrenner großflächig die Temperatur aufrecht hält. Dadurch werden kleine, gefährliche Spannungsfelder auf eine größere Fläche verteilt und verlieren ihre zerstörerische Kraft. Im Kühlofen werden dann die Spannungen aus dem ganzen Körper genommen.
Hilfsmittel, Halterungen und Stützen für die BorosilikatGlasplatten werden in Eigenarbeit aus Karbon hergestellt. Die Stärke der zu verschmelzenden Platten reicht von 1mm bis 10mm.
Anspruchsvolle Arbeit, verlangt Leidenschaft und flexible Arbeitszeiten
Die normale Arbeitszeit geht montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr, aber wenn die Auftragslage zu hoch ist, gibt es für alle Überstunden und durchaus auch arbeitsreiche Samstage und Sonntage.
Einen Ausgleich zur Arbeit braucht es aber auch Meine Hobbys beinhalten viele körperliche Aktivitäten, wie Surfen, Squash, Fitnesstraining und Golf. Ich denke, das hält mich gesund
Engagement für den Nachwuchs: Tokio Scientific Glassblowers Union
Auch wenn unsere Firma keine Berufsausbildung anbietet, so engagiert sich der Glasbläserverband, dem wir angehören, sehr aktiv in Weiter- und Fortbildungen. Unter anderem stelle ich dort meine Techniken vor, die ich im Laufe von 40 Jahren schrittweise verbessert habe. Halte Vorträge auf Seminaren, und arbeite in Workshops, da es mir ein großes Bedürfnis ist, diese Technologie in die Zukunft zu tragen. Auch wenn es oft schwierig ist, das Wissen zu vermitteln, so lehre ich es geduldig. Denn in Japan gibt es nur ganz wenige Glasbläser, die mit Borosilikat-Glasplatten arbeiten.
Nachwuchs ist ganz schwer zu bekommen
Leider ist es sehr schwierig neue Mitarbeiter zu gewinnen, die sich von Grund auf zum Glasbläser ausbilden lassen möchten. Wahrscheinlich wird das Wissen mehr und mehr an bestehende Firmen und Facharbeiter weitergegeben werden müssen, um wenigstens auf diese Weise den Bedarf der Wirtschaft decken zu können.
In unserer Ausgabe 01/2020 haben wir auch über die Produktion von Duran-Glasbecken berichtet. Helmut Kammerlander von der Glasbläserei des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung und intelligente Systeme in Stuttgart, teilte sein Wissen zu diesem Thema mit uns.
Diesen Artikel übersetzte Julia Schweifel.
VDG-Nachrichten
Herausgeber
Verband Deutscher Glasbläser e.V., Karlstr. 7, D-48268 Greven
Erscheinungsweise
vierteljährlich im März, Juni, September und Dezember (Sonderausgabe nach Bedarf)
Format
210 x 297 mm (DIN A 4)
Bezugspreis
Der Mitgliedsbeitrag beinhaltet den Bezug der VDG-Nachrichten; Bezugspreis für Nichtmitglieder: 13,50 €.
Druck
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