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VDG-Nachrichten 02/2021

 

 

 

 

Europas nördlichste
technische Glasbläserei

An der Universität (NTNU) in Trondheim

Sebastian Bete und Astrid Salvesen
Willkommen bei den Glasapparatebauern an der norwegischen, technischen und naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) in Trondheim, Norwegens größter Universität. Gegenwärtig hat die Universität etwa 42.000 Studenten und 7.500 Angestellte

Heute

Die Werkstatt hat zwei fest angestellte Glasapparatebauer, Sebastian Bete und Astrid Salvesen (Werkstattleitung). Die beiden sind auf recht unterschiedlichen Wegen zur Glasbläserei gekommen.
Astrid war schon immer fasziniert von Glas als Material, wie es sich durch Wärme verändern und formen lässt. Als Sechzehnjährige träumte sie davon Glasmacher in einer Kunstglashütte zu werden, allerdings bildete damals niemand in Norwegen Lehrlinge aus. Ein paar Jahre später bot sich aber die Gelegenheit an der Universität eine Lehre zur Glasapparatebauerin zu beginnen, direkt in ihrer Heimatstadt Trondheim.
Seit 1980 ist Astrid an der Universität angestellt, und die letzten 21 Jahren als Werkstattleiterin.
 
Sebastian hatte eigentlich vor, Goldschmied zu werden. Doch kurz vor dem Beginn der Goldschmiedelehre bot sich die Möglichkeit zu einem Praktikum bei Schott in Mainz. Während des Praktikums entdeckte er seine Faszination für Glas und begann 1997 seine Lehre zum Glasapparatebauer.
Nach der Lehrzeit arbeitete er für verschiedene Arbeitgeber (sowohl in der Produktion als auch im Forschungsmilieu) in Deutschland, der Schweiz und in Großbritannien, bevor er 2006 umzog. Er arbeitete zunächst für einen kleinen Betrieb weiter südlich im Land, bevor er, nach einigen Monaten als Vertretung für Astrid, im Jahr 2012 als Festangestellter an der Universität begann.
Zurzeit hat die Glasbläserei mit ihren beiden Angestellten eine ausreichende Kapazität, allerdings wird es wohl Bedarf an einem neuen Glasbläser geben, wenn Astrid in 3-4 Jahren in den Ruhestand geht. Schon heute werden die ersten Pläne gemacht wie dies zu bewerkstelligen ist. Solle man einen Lehrling ausbilden, oder einen fertig ausgebildeten Glasapparatebauer anstellen?

 

Die Ausbildung ist eine sehr zeitintensive Aufgabe für eine so kleine Werkstatt und es wäre sehr fordernd gleichzeitig noch den normalen Arbeitsbetrieb aufrecht zu erhalten. Es wird vermutlich darauf hinauslaufen einen fertig ausgebildeten Glasapparatebauer einzustellen.
 

Aufgaben und Herausforderungen

Die Werkstatt der NTNU ist eine typische Universitätsglasbläserei. Die Aufträge sind extrem abwechslungsreich und bieten beinahe täglich neue und anspruchsvolle Herausforderungen. Kunden kommen in der Regel mit einem Wunsch und einer groben Vorstellung ihres Bedarfs.
Aber sie haben, wie die meisten Kollegen wissen, oft begrenztes Wissen über Glas, seine Eigenschaften und Möglichkeiten. Gemeinsam mit den Kunden werden dann die Teile entworfen, die zu ihrem tatsächlichen Bedarf passen. Anders ausgedrückt, „bau was sie brauchen, nicht was sie zu brauchen glauben“. Ein großer Teil der Aufträge sind Spezialanfertigungen und Prototypen, gelegentlich kleine Serien und natürlich Reparaturen.
Die Universität hat zwei große Forschungsbereiche, die großen Bedarf an Quarzapparaten haben. Die Quarzglasbläserei macht etwa 50% der hier produzierten Geräte aus. Die Ausstattung an Werkzeugen und Maschinen ist dementsprechend.
Vorführung während der Forschernacht 2019
 
Die Forschernacht ist ein jährlich stattfindendes Arrangement an der Universität.
Schüler zwischen 16 und 18 und deren Lehrer sind zu diesem Abend eingeladen, an dem die NTNU zahlreiche interessante forschungsbezogene Aktivitäten anbietet, von Gesellschaftswissenschaften zu Naturwissenschaften und Technologie.
Die Idee ist, Forschung als Karrieremöglichkeit für junge Leute zu bewerben. Etwa 1.200 Schüler nehmen jedes Jahr an dieser Veranstaltung teil. Die Glasbläserei ist jedes Jahr mit einem eigenen Stand dabei. Es ist ein anstrengender aber schöner und nützlicher Arbeitseinsatz. Brenner, Werkzeuge und Gasversorgung werden im Ausstellungsareal aufgebaut und die Glasbläser führen während des Abends Glasapparatebau vor. Es kommen viele Fragen der Art „kann man hier Glasapparatebau lernen?“, oder „bilden Sie Lehrlinge aus?“. Die Antwort ist: Nein, aber falls man sich für ein naturwissenschaftliches Studium entscheidet, kann man sich eine individuelle Spezialanfertigung bestellen.

Werkstatt, Werkzeuge, Maschinen und Arbeitssicherheit

Die Werkstatt bezog das im Jahr 2000 neu errichtete Gebäude Realfagbygget („Naturwissenschaftsbau“) auf dem Universitätscampus. Dies gab Gelegenheit die neue Werkstatt ganz nach den Wünschen und Bedürfnissen der Glasbläser einzurichten, was bedeutet, dass sie heute von den modernen Räumlichkeiten profitieren. Einem hohen Standard der Gasversorgung, Belüftung, Ergonomie und genereller Arbeitsplatzsicherheit.
Die technische Glasbläserei befindet sich direkt neben einer ebenso gut ausgestatteten Feinmechanikwerkstatt. So ist eine einfache Zusammenarbeit bei komplexen Aufträgen möglich, bei denen Teile aus Kunststoff oder Metall benötigt werden. Darüber hinaus können spezielle Werkzeuge für die Glasbearbeitung direkt im Hause hergestellt werden.

 

Astrid Salvesen und Sebastian Bete an der Säge und Planschleifmaschine

 

Blick in die Werkstatt
 
Im Laufe der Jahre, seit dem Neubau der Glasbläserei, wurde regelmäßig in neue Maschinen und Ausrüstung investiert, um mit gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen und dem beständigen Wandel in der Forschung Schritt halten zu können.
 

Erweiterung von Fertigkeiten und Kompetenz

Die Gemeinschaft der technischen Glasbläser im Norwegen ist sehr klein. Aktuell gibt es lediglich sieben aktive Glasapparatebauer. Als Werkstattleiterin hat es Astrid immer als notwendig erachtet in Kontakt zu bleiben, Inspirationen zu finden und die Kompetenz der Werkstatt zu erweitern. Dank des Verständnisses der Universitätsleitung für diesen Bedarf, können Astrid und Sebastian regelmäßig an internationalen Glasbläsertreffen in Amerika, Großbritannien und Deutschland teilnehmen und so mit Kollegen aus aller Welt in Kontakt bleiben. Diese Treffen sind immer von großer Bedeutung für die Werkstatt um über neue Werkzeuge, Maschinen und Arbeitsmethoden auf dem Laufenden zu sein.
 

Die Werkstatt während der Corona-Pandemie

Soweit wie möglich wurden Vorlesungen und Studien der Universität auf online-Systeme verlegt. Einige kritische Forschungsprojekte und technische Dienste mussten jedoch physisch auf dem Campus in Betrieb gehalten werden.
Obwohl Zugangsbeschränkungen und Änderungen in der Arbeitsroutine nötig waren, wurde der Betrieb der Glasbläserei seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 aufrechterhalten.
Zusammen mit dem St.Olav-Universitätsklinikum hat die NTNU einen eigenen Corona-Test entwickelt, und die Glasbläserei hat die dafür notwendigen Apparate gebaut.

 

Astrid Salvesen bei einer Quarzglasbearbeitung

 

Sebastian Bete an der Drehbank

 

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