Glasapparataebauer
im Königreich der Niederlande
Wir besuchen nicht zum ersten Mal mit unserer Fachzeitschrift eines unserer Nachbarländer im Norden. Vielleicht erinnern Sie sich, wie wir in unserer Ausgabe 02/2020 über Jens Christian Kondrup berichteten, der uns allen als hevorragender Kollegen bekannt ist und an der zweitgrößten Universität Dänemarks arbeitet, der Aarhus Universität. Nun dürfen wir in die Niederlande reisen, zu Adriaan Hendrik van der Weel. Er ist Glasappatebauer aus tiefstem Herzen. Wie sieht eine Ausbildung zu diesem Beruf in den Niederlanden aus, wie gefragt ist man als Fachmann dort und wie kann man sich in unserem Nachbarland weiterbilden, wenn man mehr erreichen will, viel mehr als manch anderer?
VDGN 4/2022
Ich freue mich, mich vorstellen zu dürfen. Mein Name ist Adriaan Hendrik van der Weel (Aad), geboren 1991 in Amsterdam, aufgewachsen in Leiden und später in Zeist. Das Glas ist seit Jahren meine Leidenschaft und mein Leben, aber ich begegnete ihm eigentlich durch einen Zufall. Nach dem Abitur hatte ich wenig Ahnung davon was genau ich werden wollte. Wichtig war mir nur, dass es mit einem Handwerk zu tun hatte. Wichtig war mir nur, dass es eine Fachausbildung ist. Der Metallbearbeitung galt mein Hauptinteresse und nachdem ich mich auf einigen berufsbildenden Ausbildungen (MBO-opleidingen1) im Industriedesign und Maschinenbau umgesehen hatte, landete ich letztendlich und glücklicherweise bei der LiS, der Leidener Instrumentenmacherschule und kehrte somit auch wieder in die Stadt meiner frühen Kindheit zurück.
Lis, die Instrumentenbauschule in Leiden/Niederlande
Seit 120 Jahren bildet die LiS Glasapparatebauer aus. Das verdanken sie dem Nobelpreisträger Prof. Dr. Heike Kamerlingh-Onnes (1853-1926). Er beauftragte seine ausländischen Handwerker damit, begabte junge Menschen zu Glasapparatebauern auszubilden.
Was lerne ich während der Ausbildung bei LiS?
Erstes Jahr Im ersten Jahr stehen die grundlegenden Herstellungsprozesse im Mittelpunkt. Du lernst Drehen, Fräsen und Glasblasen, sowohl computergesteuert als auch manuell. Du lernst, wie Du die Maschinen zur Herstellung von Werkstücken selbstständig und sicher bedienst und diese Teile zu einem Präzisionsinstrument zusammenbaust.
Zweites und drittes Jahr Du vertiefst Dich in die Herstellung komplexerer Instrumente. Du wirst tiefer in die Verwendung von Materialien, die Konstruktion und den Herstellungsprozess einsteigen. Du lernst auch, die zum Betrieb eines Instruments erforderliche Elektronik sowie die für Messungen erforderlichen Sensoren kennen. Während Deines Praktikums wendest Du das Gelernte an.
Viertes Jahr Im letzten Jahr wirst Du darin geübt, Kundenanfragen in eine Lösung – das Präzisionsinstrument – zu übersetzen, mit der der Kunde seine Forschung betreiben kann. Hinzu kommt noch ein Abschlusspraktikum.
Was kann ich später werden?
Du bist gelernter Glasapparatebauer und arbeitest in der:
- Forschung & Entwicklung
- Hightech-Industrie
- Medizinische Technologie
- Luft- und Raumfahrt
Zudem sind nach dem Abschluss weiterführende Berufsausbildung im Bereich Maschinenbau bzw. Mechatronik möglich!
Mitarbeiter des LiS
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeichnen sich durch große Begeisterung und Engagement für die LiS und seine Studierenden aus. Dort arbeiten etwa 40 Mitarbeiter*innen, davon 80 % im Bildungsbereich und 20 % im Support.
Ich war sofort Feuer und Flamme
und habe 2008 mit meiner Ausbildung begonnen. Ursprünglich kam ich selbstverständlich wegen meinem Interesse an der Metallverarbeitung dorthin. Erst an dieser Schule lernte ich den Glasinstrumentenbau kennen. Das erste Schuljahr dort ist üblichwerweise ein Orientierungsjahr, in dem man neben Metall auch grundlegende Übungen in der Glasbläserwerkstatt und in der Optikwerkstatt absolvieren muss. So lernte ich zunächst aus AR-Glas Spitzen ziehen, T-Stücke und Übergangsstücke fertigen, Kugeln blasen und Bögen formen usw. Am Ende des ersten Schuljahres werden dann die Schüler nach Begabung ausgewählt. Das bedeutet dass die Schule nur diejenigen für den Glasinstrumentenbau auswählt, die eine Eignung für das Fach gezeigt haben. Nur sie können sich für den Rest der Ausbildung auf den Glasinstrumentenbau spezialisieren und auch in diesem Bereich ihre Abschlussprüfungen ablegen. (Ab dem 2. Schuljahr arbeiten sie mit Borosilikatglas.) Ich gehörte also zu den Glücklichen, die sich für die Glasbranche entscheiden durften und ließ 2009 das Metall hinter mir. Was kommen wird wusste ich nicht, aber es schien mir ein sehr schöner Beruf zu sein, und ich sah darin eine schöne Zukunft. Doch bemerkte ich bereits, als ich mir die Basics erarbeiten durfte, dass es ein schwieriges Handwerk und die schöne Arbeit leider nicht für jeden geeignet ist. Meine Begeisterung war jedoch so groß, dass ich von dem Moment an, als ich in die Glasbläserei aufgenommen wurde beschloss, mein Bestes zu geben, um mich in diesem Handwerk zu üben.
Momente der Motivation
In der Schule gab es Vitrinen voller schöner Geräte und über der Glaswerkstatt befand sich ein kleiner Dachboden, in dem ebenfalls Schränke voller alter Arbeiten standen, darunter viele Meisterarbeiten. Ich habe sie mir oft angesehen, manchmal bin ich nur hingegangen, um sie ein wenig zu studieren und das Bild auf mich wirken zu lassen.
Es gab auch eine Kopie des berühmten FlüssigstickstoffKugel-Kühlers, der mich sehr beeindruckt hat. Dieses Stück schien so völlig unmöglich zu sein, es war der totale Wahnsinn, und doch war es anscheinend machbar. Dieses Stück wollte ich eines Tages auch fertigstellen können! Damals war mir gar nicht bewusst, wie intensiv ich daran üben müsste, bis es mir gelang.
Aber das gilt für die meisten Stücke. Das Glas hat mich einfach fasziniert! Ich studierte die Formen, stellte mir die Bearbeitungsprozesse vor und probierte dann in der Werkstatt aus, was ich mir ausgedacht hatte.
Uns wurden einige grundlegende Techniken gezeigt, aber wir mussten uns auch viel selber beibringen und das war für mich in Ordnung. Jede freie Minute war ich in der Werkstatt anzutreffen, manchmal sogar in den Ferien, wenn die Lehrer auch arbeiteten. Die Grundaufgaben, die ich für die Ausbildung erledigen musste waren schnell getan und ich nutzte die Zeit, die Erarbeitung komplizierterer Herausforderungen spielerisch zur erkunden.
Es hat mich oft viel Zeit und Fummelei gekostet, so ein Arbeitsstück zusammenzubauen, aber am Ende hat es geklappt und das war eine große Freude. Ich denke, rückblickend kann ich sagen, dass ich mich schnell weiterentwickelt, aber trotzdem lange gebraucht habe, gerade um zu lernen, wie man nicht nur genau, sondern auch schnell und effektiv arbeitet.
Der Spaß neben der Ausbildung
Meine Schulzeit war sehr angenehm, ich lebte in einer Studentenwohnung in Leiden und war in der Schülervertretung der Schule aktiv. Wir organisierten die Partys, Ausflüge und Abendessen und jedes Jahr eine Einführungswoche für die neuen Erstklässler, der ich auch in meinen späteren Schuljahren als Leiter beitrat. Es war eine sehr schöne Zeit und ich habe viele gute Freunde gefunden. Auch die Mitschüler in der Glaswerkstatt waren wie eine große, liebenswerte Familie. All das hat sicherlich zu einem großen Wohlbefinden beigetragen. Das ging aber teilweise zu Lasten des Studiums in den Theoriefächern, was meine Ausbildung letztendlich etwas verzögerte. Ich selbst fand das nicht so problematisch, weil das Leben Spaß machte und ich die zusätzliche Zeit in der Glaswerkstatt gut nutzen konnte.
2010 durfte ich ein Praktikum an der Technischen Universität Eindhoven (Tu/E) machen, wo ich viel von meinem zugewiesenen Lehrer Ad Waterschoot gelernt habe. Ein Praktikum dauert ca. 5 Monate. In dieser Zeit besuchst Du zwei Tage die Woche theoretische Fächer in der Schule und 3 Tage verbringst Du im Praktikumsbetrieb. Später konnte ich ein zusätzliches Praktikum im Shell Technology Center in Amsterdam machen, was für einen Studenten ein prestigeträchtiger Ort war. Auch dort konnte ich schöne Techniken erlernen und sehen, wie große Glasreaktoren hergestellt werden.
Die bestandene Schulprüfung (Diplom) mit Auszeichnung
Als ich 2013 endlich alle theoretischen Fächer erfolgreich abgeschlossen hatte, durfte ich mein Glasapparatebauer-Diplom ablegen, das ich cum laude (mit höchstem Lob) bestand.
Danach war mein erster Job in der Glasbläserei der Tu/E, jetzt aber als Facharbeiter und Kollege, wo ich in der Heißglasverarbeitung noch viel von Ad dazu gelernt habe. Wir waren dort hauptsächlich für die Fakultät Chemie, aber auch für die technische Physik tätig. Auch lernte ich, wie man Quarzglas bearbeitet, das gerne in den Laboren der Physik verwendet wird.
Die Bearbeitung reichte von der Tischarbeit bis hin zu kleinen und großen Dreharbeiten. Aber das Beste, was ich damals gelernt habe, war vielleicht, Borofloat zu schmelzen, ich konnte daraus einige Glasarbeiten machen und das war eine Erfahrung, von der ich später profitierte.
In den ersten sechs Monaten, in denen ich dort arbeitete, fertigte ich auch den Flüssigstickstoff-Kugel-Kühler an, den ich in der Glasvitrine der Schule immer so bewundert habe.
Aber ich verbrachte auch viele Abendstunden damit, viele kreative Stücke für mich selbst oder Kollegen und manchmal für Studenten der Design Academy zu blasen.
Dort habe ich drei Jahre gearbeitet, dann wurde mir eine Stelle im Norden des Landes bei Lgs (Laboratory Glass Specialist B.V.) in Ubbena angeboten. Später zog Lgs nach Assen um. Ich habe dort nur ein Jahr gearbeitet, bis ich eine Stelle in der Glasbläserei der Universität Groningen bekam, die mich interessierte, also wechselte ich wieder und arbeitete dort von 2017 bis 2022.
Aber ich verbrachte auch viele Abendstunden damit, viele kreative Stücke für mich selbst oder Kollegen und manchmal für Studenten der Design Academy zu blasen. Dort habe ich drei Jahre gearbeitet, dann wurde mir eine Stelle im Norden des Landes bei Lgs (Laboratory Glass Specialist B.V.) in Ubbena angeboten. Später zog Lgs nach Assen um. Ich habe dort nur ein Jahr gearbeitet, bis ich eine Stelle in der Glasbläserei der Universität Groningen bekam, die mich interessierte, also wechselte ich wieder und arbeitete dort von 2017 bis 2022.